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Redakteurin Fenna Weselmann beim ersten Mal Schlittenhundefahren!

Danke an das Stader Tageblatt für diesen tollen Artikel:

 

 

Mit sechs Hundestärken durch den Wald

 

Redakteurin Fenna Weselmann sauste zum ersten Mal mit einem Schlittenhundegespann über Waldwege und durfte sich für ein paar Meter auch mal wie ein Musher fühlen. Fotos: Beneke

Ob es hier diesen Winter überhaupt Schnee zum Schlittenfahren geben wird, ist zu bezweifeln. Aber um mit einem Schlittenhundegespann im Rüstjer Forst zu fahren, braucht es für Redakteurin Fenna Weselmann weder weißen Untergrund noch einen Schlitten. Voraussetzung ist etwas anderes.

 

Sobald ich die Autotür öffne, höre ich ihr ungeduldiges Bellen und Jaulen. Schon auf der kurzen Strecke vom Wanderparkplatz bis zum Rüstjer Weg auf der anderen Straßenseite hat Nieselregen einen Schleier auf meine Brillengläser gelegt, und eine Haube aus feinen Tropfen sitzt auf meinem Haar. Es ist gar nicht mal so kalt, nur durchdringend nass. Als die Hunde mich kommen sehen, werden sie lauter und Unruhe spannt ihre Körper so wie den meinen.

In Empfang genommen werde ich von einer Gruppe Zwei- und Vierbeiner, samt eines kleinen Husky-Welpen, der mit neugierigem Blick bei dem Auto-Gespann sitzt, das Alexandra Augsten am Wegesrand geparkt hat. Es ist derselbe Wagen, dessen Werbeaufschrift „Lumirunners“ mich zu diesem „Ersten Mal“ unterwegs mit Hundeschlitten geführt hat, das mich jetzt, wo es gleich beginnen soll, freudig gespannt und gleichzeitig unsicher wie ein Kind an seinem allerersten Schultag dastehen lässt. Die Hunde sind ebenfalls am Rand „geparkt“ – befellte Augenweiden aufgereiht wie an einer Perlenkette, und ich auf Abstand staunend davor. Früher wäre ich wohl einfach auf die sechs Huskys zugegangen. Heute hemmt mich eine Scheu, die ich erst von mir kenne, seitdem Freunde von uns ihren Hund haben. Der liebt den Rest meiner Familie, sodass er jedes Mal bei einem Treffen völlig ausflippt. Mich aber schaut er an, als wollte er sagen: „Dich hätten sie doch einfach zu Hause lassen können.“

Trainingswagen liefert die nötige Bodenhaftung

Mit fröhlich-offenem Gemüt kommt mir Alexandra Augsten entgegen, die mich heute mit ihrem Schlittenhundegespann durch den Rüstjer Forst fahren wird. Das „Sie“ schieben wir gleich beiseite, sie ist einfach nur Alex, und ich taue auf, schaffe es, die innere Distanz abzustreifen, wie den Regenschleier vom Brillenglas. Und dann streiche ich endlich über das dichte Fell der Huskys, fühle wieder das Glück wie früher als Kind. „Ja, jetzt werdet ihr auch endlich richtig begrüßt“, sagt Alex zu ihren Hunden, und mir wird klar, dass die Tiere wohl tatsächlich diese Erwartungshaltung an mich hatten. Erst damit bin ich richtig angekommen.

Der Trainingswagen steht schon bereit. 75 Kilo Eigengewicht. Das braucht es auch, um nicht „lebensmüde um die Kurve zu fliegen“, wie Alex sagt. Rädern und Konstruktion nach zu urteilen, ist die nötige Bodenhaftung garantiert. Bevor es losgeht, werden die Huskys und ich startklar gemacht. Ich bekomme Helm, Schutzbrille, Handschuhe und eine Decke – zur Sicherheit und gegen die Kälte. Ihren Hunden legt Alex das sich über dem Rücken kreuzende Zuggeschirr an. Nun wird das Bellen und Jaulen so laut, dass es alles andere umher verschluckt. Unter den Augen von Alex’ Weggefährten, die mit zu dem Termin im Rüstjer Forst gekommen sind, postiere ich mich reichlich ungelenk auf dem Wagensitz und finde mich sehr undynamisch und tatenlos. Die Handschuhe lege ich in meinen Rücken. Der mir davon in die Nase ziehende Hundehaargeruch, kitzelt allzu sehr an meiner Tierhaarallergie.

 

Auf diesem vierrädrigen Trainingswagen darf ich vorne Platz nehmen. Schon ohne Passagiere wiegt der Wagen fast 75 Kilo und hat damit das nötige Gegengewicht, um nicht „lebensmüde durch die Kurven zu fliegen“, wie Alex sagt.

Als sogenannte Musherin – Schlittenhundeführerin – steht Alexandra hinter mir und ruft ihre Hunde zur Aufmerksamkeit. Järvi und Lumi vorne als Leader, Mayla und Lykke dahinter, Koda und Yukon direkt vor mir – mit einem Mal sind sie leise und hängen sich voller Erwartung in die Leinen. Auf Alex’ Kommando ziehen sie an. Sobald sie die Bremsen löst, geht ein Ruck durch das Gespann und die Hunde rennen scheinbar außer Rand und Band los. Es ist ein Sausen, von vorne spritzt nasse Erde auf die Schutzbrille, der Fahrtwind schlägt mir samt Nieselregen ins Gesicht, links und rechts des Weges verschwimmt der Wald von dem Tempo, das die Hunde an den Tag legen.

Sofort verstehe ich, warum die ohnehin hundebegeisterte Alex bereits am Telefon so selig von dieser Art Gespannfahren erzählt hat. Es ist ein Abenteuer, ein Gefühl von Freiheit, selbst, wenn man nur vorne untätig sitzend spazieren gefahren wird. Eine Schlittenhundereise nach Finnland brachte Alex gewissermaßen vollends auf den Husky. „Ich war gefühlt der glücklichste Mensch auf der Welt“, erzählt die 36-Jährige, die schon als Kind Stofftier-Huskys sammelte. Hündin Järvi war vor fast vier Jahren der Start in ihr eigenes Husky-Abenteuer. Nach und nach ergab sich ihr heutiges Husky-Gespann, und sie erarbeitete sich im Laufe der Zeit, was es als Musherin braucht, angefangen mit Dog-Scooter und Bike-Yöring.

Sieben Huskys gehören zur Familie

Mit Welpe Wido gehören nun inzwischen sieben Huskys zu ihrer Familie. In Berlin war Alex seit mehreren Jahren mit professionellem Dog-Sitting etabliert. Zusammen mit ihrer ebenso hundeliebenden Freundin Anja träumte sie aber von einem Ort, wo reichlich Platz für ihre Hund-Mensch-Familie ist. Und so zog es sie schließlich nach Engelschoff. Neben Hundebetreuung bieten Alex und Anja hier jetzt auch Husky-Abenteuer an, darunter individuelle Wochenendpakete samt Übernachtung im Tipi und eben solche von der Revier-Försterin genehmigten Fahrten, wie ich sie genieße.

Vor der ersten Abbiegung bremst Alex das Gespann leicht. Geschmeidig geht es mit einem einfachen „haw“ für links um die Kurve. Nach etwa zwei Kilometern hecheln die Hunde mit hängenden Zungen Atemwolken in die Luft, aus ihrem Fell dampft die Hitze und sie werden langsamer. Der Rennmodus weicht einem dennoch strammen Arbeitstempo. Alex und ihre Hunde sind eins – und ich als Gast dazwischen. Unaufgeregt lenkt sie das Gespann an entgegenkommenden Spaziergängern, am Waldrand geparkten Autos und anderen Hindernissen vorbei. Alex’ durchdringendes „Vorbei!“ reicht als Kommando, damit Järvi und Lumi als Leader das gesamte Gespann in die richtige Richtung dirigieren. Sogar ein am Feldrand auffliegender Fasan zieht den Blick der Hunde nur kurz auf sich. Während ich mich schon durch das dem Fasan willkommene Gebüsch gezogen sehe, lassen die Hunde das potenzielle Jagdvergnügen souverän links liegen. Immer wieder gönnt Alex den Hunden Verschnaufpausen. Die sind bei den Temperaturen einmal mehr nötig. Zwölf Grad sind keinesfalls Idealwert für so einen Ausflug von knapp zehn Kilometern, sondern eher grenzwertig. Schnee und Kufen braucht es keine, aber entsprechend Kälte ist in jedem Fall Voraussetzung, damit es für die Hunde nicht zu anstrengend wird.

 

Die vordere Position im Schlittenhundegespann, dem sogenannten Team, übernehmen die beiden Hündinnen Järvi und Lumi (links im Bild). Alexandra Augsten lässt aber auch andere ihrer Hunde die wichtige Leader-Aufgabe übernehmen.

An einem gut überschaubaren Wegabschnitt, wo wir für eine Strecke entlang freien Feldes fahren können, ist es so weit. Alex erfüllt tatsächlich ausnahmsweise meine Hoffnung, selbst einmal die Rolle des Mushers einnehmen und für ein paar Meter hinten auf dem Wagen stehen zu dürfen. Als ich die Handschuhe überstreife, wird mir doch kurz mulmig zumute. Kurz blitzt das Bild eines kippenden Streitwagens vor meinem inneren Auge auf. Alex nimmt vorne im Wagen Platz, ich rufe die Hunde mit dem von ihr bekannten „Aufpassen“ und löse stockend die starken Handbremsen. Wieder geht dieser Ruck durch das Gespann und mich hindurch, aber viel verhaltener als am Anfang unserer Fahrt. Trotzdem traue ich mich nicht gleich, die Bremsen komplett zu lösen. Aber schon nach ein paar Metern ist es da: dieses erhebende Gefühl, eins zu sein mit den Tieren, mit absolutem Vertrauen in die Hunde und konzentriert auf die Fahrt. Die einzige Sorge, die bleibt, ist die um das Wohl von Alex’ Huskys. Dass ich etwas falsch machen und den Hunden so Schaden zufügen könnte. Die Hunde spüren meine Unsicherheit, verhalten sich bedacht und hinterlassen für den Rest des Tages ein Strahlen auf meinem Gesicht.

Die Zeit mit Alex und ihrem Schlittenhundegespann geht wie im Fluge vorbei. Zurück beim Auto spüre ich aber die nasse Kälte bis in die Fingerspitzen und winde mich wie ein auf dem Rücken liegender Käfer über die Armlehne des Trainingswagensitzes.

www.lumirunners.com

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